Der Kabi King aus Piesport – Julian Haart und seine kompromisslose Liebe zum Riesling

Julian Haart Lagen Kiste mit Mini-BrecheisenIch habe mich in diesem Jahr ganz besonders auf meine Allokation gefreut – erstmals erhielt ich eine Lagen-Kiste von Julian Haart, dem inzwischen als „Kabi King“ bekannten Winzer aus Piesport an der Mosel. Und dann auch noch aus dem exzellenten Kabinett-Jahrgang 2024.

Ein kleines Ritual begleitete die Öffnung: ein Mini-Brecheisen von Hultafors (190 mm). Ideal, um die solide Holzkiste zu knacken, stilvoll anzusehen und so handlich, dass es in jede Schublade passt. Das Auge öffnet eben mit.

Vom 5000-Quadratmeter-Parzellenwinzer zum Mosel-Star

2010 startete Julian Haart mit gerade einmal 5000 Quadratmetern im Wintricher Ohligsberg. Heute bewirtschaftet er gemeinsam mit seiner Frau Nadine fünf Hektar – eine Fläche, die man noch selbst in kompromissloser Handarbeit im Griff behalten kann. Alles, was hier passiert, ist bewusst klein, präzise und persönlich.

Sein Weg führte ihn zuvor über die großen Namen der deutschen Weinszene: Emrich-Schönleber, Heymann-Löwenstein, Egon Müller und schließlich Klaus-Peter Keller, der ihm auch beim Einstieg in Rheinhessen half. Seit 2018 bewirtschaftet Haart Weinberge in Nieder-Flörsheim und seit 2022 in Mölsheim (Zellertal), darunter den Frauenberg und den legendären Zellerweg am Schwarzen Herrgott. Böden aus Kalkstein, Löss und Mergel bilden dort das Gegengewicht zur Schieferprägung der Mosel.

Weinberg Piesporter Goldtröpfchen

Die Lagen – Moselklassik trifft Rheinhessenkalk

Die besten Parzellen liegen nach wie vor an der Mosel:
– Wintricher Ohligsberg (1,4 ha, aufgeteilt in drei Parzellen, darunter ein Juwel mit wurzelechten Reben aus 1924)
– Piesporter Goldtröpfchen (ca. 2 ha)
– Wintricher Großer Herrgott
– Piesporter Grafenberg

Dazu kommen die Weinberge in Rheinhessen: Zellerweg am Schwarzen Herrgott und Nieder-Flörsheimer Frauenberg.

Neben Riesling kultiviert er auch Chardonnay sowie auf winzigen 0,4 ha Pinot Noir, dessen Erträge im Jahr 2022 auf gerade einmal 9 hl/ha reduziert wurden – ein Wein, der eher rares Sammlerstück als Alltagsflasche ist.

Stilistik – Kabinett als Königsdisziplin

Julian Haart ist bekannt als der „Kabi King“. Während andere Kabinett als Nebenprodukt sehen, rückt er diesen Weinstil ins Zentrum. Mit Akribie, die früher vielleicht einer TBA galt, vinifiziert er Kabinette, die Eleganz, Druck und Mosel-Leichtigkeit miteinander verbinden.

Sein Ansatz:

– Spontanvergärung im traditionellen Mosel-Fuder
– Feinhefelager für Präzision und Tiefe
– Schwefelung meist erst zur Füllung
– kompromisslose Ertragsreduzierung (2022 z. B. 35 hl/ha, beim Pinot Noir sogar nur 9 hl/ha)

Ernte im Weingut Julian HaartDie Ergebnisse sprechen für sich: mehrfach 100 Punkte von Kritikern wie John Gilman und James Suckling (Stuart Pigott) – und das als jüngster Winzer überhaupt. Historisch ist zudem, dass erstmals ein Kabinett die Höchstbewertung erhielt.

White Label, Lagen-Kiste & Künstlereditionen

2017 führte Haart seine White-Label-Kabinette ein: Kultweine, die längst zu Instagram-Ikonen geworden sind – kaum ein Weinliebhaber, der nicht stolz ein Foto postet, wenn er eine der begehrten Flaschen ergattert. Gerade einmal 1000 Flaschen werden jährlich produziert.

Noch rarer ist die Abfüllung aus der wurzelechten Ohligsberg-Parzelle von 1924, die mit einem Künstleretikett von Anton Henning versehen wird. Seit 2019 sind diese besonderen Weine nur noch als Teil der Lagen-Kiste erhältlich – einer Holzkiste mit sechs Flaschen, die auch die trockenen „Grand Cru“-Weine umfasst.

Philosophie – „Die Natur ist der Boss“

Haarts Credo: „Die Natur ist der Boss“ (Quelle: Terroir & Adiletten, Folge 85). Er arbeitet mit der Natur, nicht gegen sie. Das bedeutet:

– selektive Lese in mehreren Durchgängen
– nachhaltige und verantwortungsvolle Bewirtschaftung
– kompromisslose Handarbeit im Weinberg
– minimale Eingriffe im Keller

So entstehen Weine, die gleichermaßen von der Mosel geprägt wie individuell geformt sind.

Ein Blick nach vorn – Sekte und mehr

Stillstand gibt es nicht: Ab 2026 wird es erstmals Sekte geben – einen Rosé und einen Riesling Sekt aus dem Jahrgang 2021. Und wer glaubt, Kabinett sei die letzte Highscore-Spielwiese: so darf man gespannt sein, ob Haart auch hier wieder die Benchmark setzen wird.

Fazit – ein Superstar, der Kabinett neu definiert

Weinberg Piesporter GoldtröpfchenSeit 1337 betreibt die Familie Haart Weinbau in Piesport – Julian repräsentiert die 30. Generation. Kritiker wie John Gilman sehen in ihm schon heute einen Superstar des deutschen Weins. Doch Haart selbst bleibt bei seinem klaren Ziel: High-End-Weine zu erzeugen, die Mosel-Tradition mit zeitgenössischer Handschrift verbinden.

Und wer einmal einen seiner Kabinette im Glas hatte, versteht sofort: Kabinett kann Weltklasse sein – wenn man ihn so ernst nimmt wie Julian Haart.

Interview mit dem Weingut Julian Haart

Zum Abschluss hatte ich die Gelegenheit, dem Weingut Julian Haart ein paar kurze Fragen zu stellen. Die Antworten geben spannende Einblicke in Philosophie, Genuss und Zukunftspläne.

1. In welchem Alter trinken Sie persönlich am liebsten Ihre Kabinette und Spätlesen?


Tatsächlich sowohl jung als auch alt – genau das ist das Schöne an diesen beiden Prädikatsstufen. Die Weine begeistern sowohl in jungen Jahren mit ihrer Frische als auch im gereiften Zustand mit Tiefe und Komplexität. Wir freuen uns immer besonders, wenn wir ältere Jahrgänge von Winzerkollegen im Glas haben und der Wein selbst nach 20 oder 30 Jahren noch taufrisch ist. Genau das ist auch unser Ziel.

2. Haben Sie als Winzer – und Koch – ein Lieblings-Wein-und-Food-Pairing für Ihre Weine?


Fruchtsüße Rieslinge passen für uns ganz klar hervorragend zu scharfem und würzigem Essen – ob asiatisch, indisch oder chinesisch. Wir sind große Fans davon, weil die Kombination einfach perfekt harmoniert. Grundsätzlich sind wir aber offen für kulinarische Experimente und lassen uns gerne von Speisen aus aller Welt begeistern.

3. Was wird es Neues vom Weingut Julian Haart geben?


In den kommenden Jahren wird es die ersten Chardonnay-Weine aus unserem Weingut geben. Diese Rebsorte möchten wir künftig stärker anbauen, da sie widerstandsfähiger ist und mit dem Klimawandel besser zurechtkommt als Riesling. Außerdem wird es im nächsten Jahr unseren ersten Sekt geben – ein Pinot-Noir-Sekt aus dem Jahrgang 2021 vom Weinberg in Wintrich.

Mein herzlicher Dank gilt dem Weingut Julian Haart für die Beantwortung der Fragen. Die letzten drei Fotos wurden vom Weingut zur Verfügung gestellt und mit freundlicher Genehmigung hier veröffentlicht.

Zur Blogübersicht